gewitter
Frau Fassbauer (93jährig) und nightingale
sitzen nach dem abendbrot
auf dem balkon des seniorenwohnheims
um kühle luft zu tanken
nach dem überhitzten tag.
schwarzdrohwolken ballen sich
über dem heimpark. es blitzt und donnert.
Frau Fassbauer genießt das kommende, von der tagesschwüle befreiende unwetter.
plötzlich fragt sie: "kennen Sie dieses gewittergedicht? es beginnt mit
>urahne, großmutter, mutter und kind...< und weiter weiß ich nicht mehr."
"o, ja, das kenne ich, strahle ich gegen den drohhimmel an. meine großmutter, 1880 geboren,
hat es häufig beim kochen rezitiert. es geht so:
"Urahne, Großmutter, Mutter und Kind
In dumpfer Stube beisammen sind;
Es spielet das Kind, die Mutter sich schmückt,
Großmutter spinnet, Urahne, gebückt,
Sitzt hinter dem Ofen im Pfühl -
Wie wehen die Lüfte so schwül!
Das Kind spricht: "Morgen ist Feiertag,
Wie will ich spielen im grünen Hag,
Wie will ich springen durch Tal und Höh'n,
Wie will ich pflücken viel Blumen schön;
Dem Anger, dem bin ich hold!"
Hört ihr's, wie der Donner grollt?
Die Mutter spricht: "Morgen ist Feiertag,
Da halten wir alle fröhlich Gelag,
Ich selber, ich rüste mein Feierkleid;
Das Leben, es hat auch Lust nach Leid,
Dann scheint die Sonne wie Gold!"
Hört ihr's, wie der Donner grollt?
Großmutter spricht: "Morgen ist Feiertag,
Großmutter hat keinen Feiertag,
Sie kochet das Mahl, sie spinnet das Kleid,
Das Leben ist Sorg' und viel Arbeit;
Wohl dem, der tat, was er sollt!"
Hört ihr's, wie der Donner grollt?
Urahne spricht: "Morgen ist Feiertag,
Am liebsten morgen ich sterben mag:
Ich kann nicht singen und scherzen mehr,
Ich kann nicht sorgen und schaffen schwer.
Was tu ich noch auf der Welt?"
Seht ihr, wie der Blitz dort fällt?
Sie hören's nicht, sie sehen's nicht,
Es flammet die. Stube wie lauter Licht:
Urahne, Großmutter, Mutter und Kind
Vom Strahl miteinander getroffen sind,
Vier Leben endet ein Schlag
Und morgen ist's Feiertag."
und morgen, liebe Frau Fassbauer, kann ich Ihnen
dann auch sagen, daß es von Gustav Schwab gedichtet wurde.
das schau ich dann gen mitternacht im internet nach.
eine gute nacht wünsche ich Ihnen, Frau Fassbauer.
schlafen Sie ohne gewittersterbensalpträume.
bis bald!
sitzen nach dem abendbrot
auf dem balkon des seniorenwohnheims
um kühle luft zu tanken
nach dem überhitzten tag.
schwarzdrohwolken ballen sich
über dem heimpark. es blitzt und donnert.
Frau Fassbauer genießt das kommende, von der tagesschwüle befreiende unwetter.
plötzlich fragt sie: "kennen Sie dieses gewittergedicht? es beginnt mit
>urahne, großmutter, mutter und kind...< und weiter weiß ich nicht mehr."
"o, ja, das kenne ich, strahle ich gegen den drohhimmel an. meine großmutter, 1880 geboren,
hat es häufig beim kochen rezitiert. es geht so:
"Urahne, Großmutter, Mutter und Kind
In dumpfer Stube beisammen sind;
Es spielet das Kind, die Mutter sich schmückt,
Großmutter spinnet, Urahne, gebückt,
Sitzt hinter dem Ofen im Pfühl -
Wie wehen die Lüfte so schwül!
Das Kind spricht: "Morgen ist Feiertag,
Wie will ich spielen im grünen Hag,
Wie will ich springen durch Tal und Höh'n,
Wie will ich pflücken viel Blumen schön;
Dem Anger, dem bin ich hold!"
Hört ihr's, wie der Donner grollt?
Die Mutter spricht: "Morgen ist Feiertag,
Da halten wir alle fröhlich Gelag,
Ich selber, ich rüste mein Feierkleid;
Das Leben, es hat auch Lust nach Leid,
Dann scheint die Sonne wie Gold!"
Hört ihr's, wie der Donner grollt?
Großmutter spricht: "Morgen ist Feiertag,
Großmutter hat keinen Feiertag,
Sie kochet das Mahl, sie spinnet das Kleid,
Das Leben ist Sorg' und viel Arbeit;
Wohl dem, der tat, was er sollt!"
Hört ihr's, wie der Donner grollt?
Urahne spricht: "Morgen ist Feiertag,
Am liebsten morgen ich sterben mag:
Ich kann nicht singen und scherzen mehr,
Ich kann nicht sorgen und schaffen schwer.
Was tu ich noch auf der Welt?"
Seht ihr, wie der Blitz dort fällt?
Sie hören's nicht, sie sehen's nicht,
Es flammet die. Stube wie lauter Licht:
Urahne, Großmutter, Mutter und Kind
Vom Strahl miteinander getroffen sind,
Vier Leben endet ein Schlag
Und morgen ist's Feiertag."
und morgen, liebe Frau Fassbauer, kann ich Ihnen
dann auch sagen, daß es von Gustav Schwab gedichtet wurde.
das schau ich dann gen mitternacht im internet nach.
eine gute nacht wünsche ich Ihnen, Frau Fassbauer.
schlafen Sie ohne gewittersterbensalpträume.
bis bald!
nightingale - 13. Jun, 00:47