"Muß ich heute wirklich nach Dubai?"
"Wie kommen Sie auf Dubai, Frau Iris?"
"Der junge Pfleger in der Küche hat vorhin gesagt,
ich würde gleich abgeholt und ich käme heute nacht noch nach Dubai."
"Vorhin, als ich Sie zur Bastelstunde einladen wollte,
Frau Iris, lagen Sie schlafend auf Ihrem Bett.
Haben Sie schlecht geträumt?
Hätte ich Sie wecken sollen?"
"Muß ich wirklich weg von hier?"
"Nein, Frau Iris, niemand will Sie fortschicken."
"Ich habe schon meine Tasche gepackt. Mit meinen Familienfotos und frischer Unterwäsche
und meinen warmen Pullovern. Ist es kalt in Dubai? Wo ist denn Dubai? Am Persischen Golf?"
"Haben Sie vor Ihrem Mittagsschlaf einen Fernsehfilm über Dubai gesehen, Frau Iris?"
"Man bringt mich doch nicht von hier weg nach Dubai, oder?"
"Liebe Frau Iris, bitte sprechen Sie mir nach: `Ich muß nicht weg von hier. Ich bleibe hier.`"

Sie findet Freude daran, diese Worte laut zu skandieren und bei jedem Wort in meine zu ihr hin geöffneten Hände zu klatschen. Nach ungezählten Wiederholungen dieses ernsten Spiels frage ich sie:
"Soll ich Ihnen helfen, ihre Tasche wieder auszupacken, Frau Iris?"
"Ja, bitte."
Nachdem die Kleidung wieder in ihrem Schrank verstaut ist und die Familienfotos wieder auf der Kommode stehen, schaut sie mich wieder voller Angst an:
"Der junge Pfleger in der Küche hat gesagt, daß ich sowieso keine eigenen Sachen in Dubai brauche.
Muß ich da wirklich nackt herum laufen?"
"Liebe Frau Iris, bitte, sprechen Sie mir nach, so laut und energisch und eigensinnig wie Sie können und mögen:
`Ich bleibe hier! Ich bleibe hier! Ich bleibe hier!`"
Sie tut es mit zunehmender Freude und klatscht dabei wieder in meine Hände.
"Geschafft!"
denke ich erleichtert und lächele sie ermutigend an - doch plötzlich wechselt ihre Mimik im körperlichen Sinne des Wortes s c h l a g a r t i g von Sonnenschein zu Sturmgewölk:
"Warum sind Sie so lieb zu mir? - Werde ich heute nacht doch nach Dubai geschafft?
Es muß doch ... einen schlimmen ... Grund dafür geben, ...daß Sie sooo lieb zu mir sind.... Sooo lieb ist hier doch niemand zu mir.....Muß ich wirklich nach Dubai?"

"Guten Abend, Herr Professor."
"Ach, wie schön, daß Sie mir zum Abendbrot Gesellschaft leisten. -
Darf ich Ihnen ein Salamibrot anbieten?"
"Soll ich es Ihnen kleinschneiden, Herr Professor?"
"Ja, haben Sie vielleicht ein Skalpell dabei ?"
"Nein, Herr Professor. - Wo ist denn Ihres?"
"Na, da an der Wand, auf rotem Samt. In dem Schaukasten mit dem restlichen Besteck.
Abschiedsgeschenk der OP-Schwestern. - Reiten Sie das Wurstbrot ruhig mit dem stumpfen Tafelmesser klein."

Beim prüfenden Zuschauen: "O, Sie haben ja ein Überbein an der Handwurzel."

"Ja, Herr Professor, seit Jahrzehnten zeigt es sich mal wieder. - Ich habe es, früher als es noch jugendlich war, feste gegen die Wand gehauen. Damals war es am nächsten Tag wieder weg, doch nun im Alter weigert es sich hartnäckig, zu verschwinden. Es stört mich schon seit 9 Monaten."
"Hm! Ein Überbein ist ein nicht zu schneidendes Mysterium."
"Könnte man es vielleicht besprechen, wie eine Warze, Herr Professor? -
Gibt`s da nicht einen zauberhaften Anatomie-Spruch für die Beherrschung der Handknochen?
`Ein Schifflein fuhr im Mondenschein...` weiter weiß ich nicht"
Lächelt: "Ja, der geht so:` Ein Schifflein fuhr im Mondenschein ums Dreieck- und ums Erbsenbein. Vieleck groß und Vieleck klein, beim Kopf muß stets ein Haken sein.´ -
Kopf, os capitatum. - Ein findiger Kopf hat sich diese Knochennamen und diesen Lernspruch ausgedacht. Das Überbein geht damit aber leider nicht weg."
"Es existiert ja auch nicht, Herr Professor, zumindest nicht in meinem medizinischen Hausbuch."
"Haben Sie heute Mondscheindienst oder darf ich Ihnen meinen Rotwein anbieten?"
"Nein, Herr Professor. Der Mond scheint zwar schon, aber es ist noch früher Abend. Und statt mit dem Schifflein, muß ich gleich mit dem Drahtesel um mehrere große Vielecks fahren.
Mit Rotwein würde ich wohl das os capitatum mit dem os lunatum verwechseln und das os pisiforme für das os trapezium halten, zumal es draußen Stein und Bein friert."
"Na, dann Hals- und Beinbruch!"
"Nur wenn Sie wieder praktizieren, Herr Professor."

„Ich will nachhause!“
„Wo wohnen Sie denn, Frau Iris?“
„Hinter dem großen Kino.“
„Wo ist das große Kino?“
„In der Nähe meiner Wohnung, in der kleinen Schlüsselblumenstraße.“
„Wie sieht Ihre Wohung aus, Frau Iris?“
„Meine Kinder haben sie aufgelöst.“
„Sie wohnen nun hier, Frau Iris.“
„Ich will nachhause. Alle meine Kinder haben eigene Häuser.“
„Sie können dort nicht wohnen, Frau Iris?“
„Ich will nachhause. Können Sie mich nicht nachhause bringen?“
„Ihre Kinder könnten Sie vielleicht zu sich nachhause holen, Frau Iris.“
„Ach, ich habe so liebe Kinder. - Die arbeiten alle den ganzen Tag über. -
Ich will aber so gerne nachhause.“
„Sprechen Sie mit Ihren Kindern, Frau Iris!“
„Meinen Namen kann man mir aber nicht nehmen, oder?“
„Nein Frau Iris, das darf niemand tun.“
„Ich will so gerne nachhause.“
„Wie wäre es, Frau Iris, wenn wir zusammen eine schöne Blumencollage
mit Ihrem Namen machen und die dann hier an Ihre Zimmertür hängen?“
„Bin ich hier zuhause?“
„Ja, wenn Sie sich hier wohlfühlen, Frau Iris.“
„Aber meinen Namen kann mir doch niemand nehmen, oder?“
„Nein, Frau Iris, das darf niemand tun.“
„Ich will aber doch so gerne nachhause.“